Sitzung: 23.03.2017 Rat
Vorlage: FB4/007/2016
Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand beschäftigt
insbesondere die Rechtsprechung seit Jahren. Im bundesdeutschen
Umsatzsteuerrecht war für eine potenzielle Umsatzsteuerpflicht das Vorliegen
eines Betriebes gewerblicher Art (BgA) maßgeblich. Die ausschließliche
Vermögensverwaltung und der Hoheitsbetrieb unterlagen nicht der Umsatzsteuer.
Demgegenüber wurde auf europäischer Ebene vordergründig der
Gedanke des Wettbewerbs in die Entscheidung möglicher Umsatzsteuerpflicht
einbezogen. Hieraus folgend urteilte u. a. der Bundesfinanzhof (BFH) im
November 2011, dass die entgeltliche Nutzungsüberlassung einer gemeindlichen
Sporthalle an eine andere Gemeinde der Umsatzsteuer unterliege und sah die
Unternehmereigenschaft der Gemeinde als gegeben an. Weitere Urteile verfolgten
dieselbe Zielrichtung.
Es wurde daraufhin politisch insbesondere darüber
diskutiert, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die öffentliche
Aufgabenerfüllung und die interkommunale Zusammenarbeit zukünftig
umsatzsteuerfrei erfolgen könne.
Neuregelung und Einführung des § 2 b
UStG:
Im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 wurde u. a. ein
neuer § 2 b UStG eingeführt. Diese Vorschrift orientiert sich eng an
europäischen Vorschriften, namentlich an Art. 13 der
Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Sofern die juristische Person des öffentlichen
Rechts (nachfolgend: jPdöR) auf privatrechtlicher Grundlage (durch
Vertrag) tätig ist, erfüllt sie zukünftig die Unternehmereigenschaft.
Hier erfolgt prinzipiell eine Gleichstellung mit privaten Wirtschaftsakteuren.
Die Unternehmereigenschaft ist nicht erfüllt, sofern
Ø die jPdöR Tätigkeiten im
Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt ausübt und
Ø
die Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.
Von einer Tätigkeit im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt ist
grundsätzlich auszugehen, wenn die jeweilige jPdöR im Rahmen
öffentlich-rechtlicher Regelungen tätig wird, die für private Dritte nicht
gelten können, also durch Verwaltungsakt, auf Grundlage eines Staatsvertrages
oder auf Grundlage besonderer kirchenrechtlicher Regelungen. Die
Nichtbesteuerung darf aber auch bei Tätigkeiten in Ausübung öffentlicher Gewalt
nicht zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führen. Diese liegen insbesondere nicht vor, wenn
Ø der erzielte Umsatz im
Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten voraussichtlich jeweils 17.500 €
nicht übersteigen wird oder
Ø
vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne
Recht auf Verzicht (§ 9 UStG) einer Steuerbefreiung unterliegen.
Der erste Fall beinhaltet eine „Kleinunternehmerregelung“, wobei noch
auslegungsbedürftig sein wird, was „gleichartige Tätigkeiten“ sind. Im zweiten
Fall soll die jPdöR genauso wie ein Unternehmer gestellt werden, der in den
vorliegenden Fällen nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Hinzuweisen ist noch
darauf, dass auch weitere, nicht genannte Kriterien erfüllt sein könnten, um
„größere Wettbewerbsverzerrungen“ festzustellen (…insbesondere…), wobei bereits
das Tatbestandsmerkmal der „größeren“ Wettbewerbsverzerrungen
auslegungsbedürftig ist.
§ 2 b Abs. 3 UStG regelt das Nichtvorliegen größerer
Wettbewerbsverzerrungen bei Leistungen an eine andere jPdöR. Sie liegen
insbesondere nicht vor, wenn
Ø die Leistungen auf
langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,
Ø die Leistungen dem Erhalt
der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten
obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,
Ø die Leistungen
ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und
Ø der Leistende gleichartige
Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen
Rechts erbringt.
Sämtliche Voraussetzungen müssen gleichzeitig bzw. nebeneinander erfüllt
sein. § 2 b Abs. 4 UStG führt Tätigkeiten auf, bei der die jPdöR immer als
Unternehmerin gilt. Diese sind für die TBS nach erster Einschätzung nicht
relevant.
Die neuen Regelungen gelten ab
dem 1.1.2017. Das bisherige Recht kann aber gemäß § 27 Abs. 22 UStG bis zum
31.12.2020 angewendet werden. Hierzu muss dem Finanzamt einmalig eine
entsprechende Erklärung bis zum 31.12.2016 abgegeben werden. Die
Gemeinde Hilter a.T.W. hat aufgrund zeitlicher Beratungsengpässe Engpässe durch
die Kommunalwahl die Optionserklärung fristgerecht abgegeben. Aus Gründen der
Rechtssicherheit sollte der Rat der Gemeinde die Entscheidung der Verwaltung
durch Beschluss entsprechend stützen.
Vor dem 31.12.2020 kann diese
Erklärung mit Wirkung zu Beginn des neuen Kalenderjahres widerrufen werden.
Wendet die jPdöR das neue Recht an,
ist eine Rückkehr zum alten Rechtsstand nicht mehr möglich.
Anlagen:
Die Gemeinde Hilter a.T.W. wendet die Neuregelung des § 2b
UStG bis zum Ablauf der gesetzlichen Übergangsfrist (31.12.2020) nicht an und
gibt eine entsprechende Optionserklärung nach § § 27 Abs. 22 UStG an das Finanzamt Osnabrück-Land ab.
Finanzierung:
„Die Gemeinde Hilter a.T.W. wendet die Neuregelung des
§ 2b UStG bis zum Ablauf der gesetzlichen Übergangsfrist (31.12.2020) nicht an
und gibt eine entsprechende Optionserklärung nach § 27 Abs. 22 UStG an das Finanzamt
Osnabrück-Land ab.“
Die Verwaltung informiert über die mit der Einführung des § 2 b UStG
vorgesehene Neuregelung ab dem 1.1.2017. Der Fin-A habe sich mit dieser Thematik in seiner
Sitzung am 23.02.2017 eingehend befasst.
Die vollumfängliche Umsatzsteuerpflicht beinhalte keine Vorteile für die
Gemeinde. Daher soll von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, durch Abgabe
der Optionserklärung die Altregelung zunächst
noch beizubehalten.
Die Mitglieder des Rates fassen hierzu folgenden einstimmigen Beschluss:
Abstimmungsergebnis:
Ja: |
20 |
Nein: |
|
Enthaltung: |
|